Sucht

Wir alle haben in unser Kindheit einen negativen Glauben über uns selbst entwickelt. Meiner ist, dass ich das Gefühl habe nicht auszureichen, nicht wertvoll genug, ja, schlicht und ergreifend einfach ungenügend zu sein. Was ist deiner?
Dieser Glaube entsteht durch die Abweisungen unserer Eltern und anderen Bezugspersonen in unser frühen Kindheit, noch bevor wir überhaupt unsere Identität entwickelt haben.
Als Kinder handeln wir in unserem natürlichen und spontanen Seinszustand: Wir weinen, wenn wir traurig sind und lachen, wenn wir glücklich sind. Von Natur aus würden wir niemals auf die Idee kommen unseren Seinszustand zu verstecken. Da wir aber lernen, wann etwas angebracht und wann etwas unangebracht ist und ständig hören, dass wir noch zu klein oder noch nicht klug genug seien, um dieses oder jenes erreichen zu können, passiert genau das. Wir fangen an unsere Emotionen zu verstecken, beginnen unsere Schwächen durch unsere positive Identität und unserer Image vor uns selbst und den anderen zu verschleiern.
Wäre mein damaliger Mathelehrer nicht so furchtbar gewesen, so hart und gemein und wäre nicht davon ausgegangen, dass wir Mädels das sowieso nicht verstehen, weil Mädels sowas ja nicht können, nicht klug genug dafür sind, hätte sich meine Beziehung zu Zahlen vielleicht ganz anders entwickelt.
Aus Schutz davor ungenügend zu sein, das nicht hinzubekommen und auf Abstoßung zu treffen, habe ich alles dafür gegeben, dass sich meine Identität positiv daran vorbei windet. Meine positive Identität besteht beispielsweise daraus,  dass ich stattdessen eine Affinität für Deutsch entwickelt habe, um über diesen Weg meine Anerkennung zu erlangen und meinen negativen Glauben erstmal  zu überdeckt. Wenn ich dann im Matheunterricht saß, hat mir mein negativer Glaube immer zugesprochen: „Ida, du kannst das eh nicht.“. So behaupte ich auch bis heute, dass ich das schlicht und ergreifen einfach nicht kann, somit kann mir dann auch niemand verkünden ich sei zu dumm dafür, denn das weiß ich ja schon längst.
Wie wir sehen, ist unser negativer Glaube somit unser ganz persönliches Schutzschild vor der Zurückweisung anderer. Denn wenn wir uns erst selbst zurückweisen, kommen wir allen anderen zuvor. Scheinbar macht dieser negative Glaube unser Leben leichter, weil wir weniger von anderen verletzt werden. Jedoch sind wir es, die uns tagtäglich selbst verletzten und ist das nicht eigentlich viel schlimmer?
Regelmäßig vermeide ich Dinge, weil mir mein negativer Glaube sagt ich sei ungenügend dafür. Regelmäßig geht es mir richtig schlecht, weil sich meine Realität auf negativen Glaubenssätzen über mich selbst aufgebaut hat. Regelmäßig beobachte ich andere Menschen dabei, die ihre Chancen aus Angst zu Versagen nicht wahrnehmen; Und regelmäßig ist zu beobachten, wie Menschen aus all diesem Unmut, der Unzufriedenheit und dem negativen Glauben über sich selbst heraus den unterschiedlichsten Süchten verfallen, um sich nicht mehr spüren zu müssen oder aus dem Glauben heraus, die Suchtmittel würden einem zu einer vollkommeneren, stärkeren und akzeptierteren Person machen. Häufige, ja, sagen wir beliebte Suchtmittel zur Ausweichung vor sich selbst sind: Alkohol, Cannabis, Essen, Sex, Beziehungen und Zigaretten, um nur einige zu nennen. 

All das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern in einem Buch gelesen. Mir viel es wie Schuppen von den Augen, dass ich das Rauchen damals schlicht weg aus einer Unsicherheit heraus angefangen habe. Ich hatte Angst nicht cool genug zu sein, nicht dazu zugehören, nicht als Mitglied der Gruppe anerkannt zu werden. Natürlich, vollkommener Schwachsinn, aber sag das mal einer jungen, instabilen und unsicheren Persönlichkeit. Auch heute greife ich noch zur Zigarette, wenn ich mich in einer Situation unwohl fühle, denn die Zigarette lenkt mich davon ab, sie schenkt mir Beschäftigung. Wäre Tabak nicht so gesundheitsschädlich, könnte man annehmen, dass das Rauchen für mich viele Vorteile hätte: Ich habe eine Beschäftigung, ich komme schnell mit anderen Rauchern ins Gespräch, wenn ich gestresst bin kann ich mich damit entspannen und die Zigarettenwerbung verspricht mir zudem noch Coolness und vor allem Freiheit.
Wenn wir außer Acht lassen, dass all das nur Scheinvorteile sind (Ein Raucher ist gestresster als ein Nichtraucher und nicht entspannter, weil er Zwangsgedanken hat, die sich immer darum drehen, wann die nächste Zigarette geraucht werden muss.), tut uns so eine Sucht alles andere als gut, denn sie verstärkt mit jedem Konsum den negativen Glauben über uns selbst: Wenn ich in der Öffentlichkeit rauche, schäme ich mich oft zutiefst. Ich schäme mich dafür die Umwelt zu verpesten, andere zu belästigen und vor allem schäme ich mich darüber, dass ich zu schwach und zu unsicher bin ohne Zigaretten auszukommen. Jede einzelne Zigarette verstärkt meine Scham über mich selbst.
Zur Verdeutlichung eine kleine Zusammenfassung: Wir haben alle unseren ganz persönlichen negativen Glauben über uns selbst, um den wir unsere positive Identität aufgebaut haben und über unsere Identität stülpt sich unser Image, indem wir nur zeigen, was wir von uns selbst sehen wollen. Um unseren negativen Glauben zu überdecken greifen wir zu Suchtmitteln, die diesen nur bestärken. Jeder Aufhörversuch, der in die Hose geht, verstärkt unseren Glauben natürlich noch viel extremer. 

Eine Sucht ist ganz offensichtlich eine schreckliche Angewohnheit und darüber hinaus natürlich noch viel mehr. Diese Angewohnheit macht es aber unteranderem so schwer, da wir Menschen ja bekanntlich Gewohnheitstiere sind. Keine Frage, es ist niemals leicht Gewohnheiten zu verändern. Werden wir uns allerdings unseres negativen Glaubens bewusst und das er eine einzige Illusion ist, können wir verstehen, dass wir gut so sind wie wir sind. Wir können verstehen, dass es nichts braucht, um uns aufzuwerten, weil wir genug sind, weil wir ausreichend und wertvoll sind.
Ob du nun zu einer Suchtmittel greifst oder nicht, führt diese Erkenntnis so oder so zu einer helleren und leichteren Realität. Wenn du endlich all die Negativität, die durch dir tagtäglich selbst entgegenbringt, loslässt und dir stattdessen mit Liebe begegnest, führst du ein deutlich erfüllteres Leben, welches im besten Fall nicht mehr nach Hilfsmitteln verlangt.