Für mehr Empathie im Gespräch

Wir reden und reden, finden kaum noch Punkt und Komma, sodass der Durchschnittsmensch rund 16.000 Wörter am Tag von sich gibt. In aller Munde ist, dass Frau nicht aufhören kann zu reden und immer das letzte Wort haben muss. Jedoch ist die Behauptung, Frauen sprechen im Durchschnitt um die 5.000 Wörter mehr, widerlegt
Insofern beobachte ich täglich wie sich die verschiedensten Menschen miteinander unterhalten, unabhängig ob Frau oder Mann. Manchmal unterhalten sie sich nicht nur miteinander, sondern auch gegen- und übereinander.
Wir reden in der Bahn, am Telefon, am Arbeitsplatz, im Café, auf einer Party, beim Bäcker - durchgängig haben wir etwas mitzuteilen, ob es unser Gegenüber nun hören möchte oder nicht. Die Kommunikation geht von Höflichkeitsfloskeln, wie „Hallo, wie geht’s dir?“ (hier will sowieso nie jemand die wahre Antwort hören, da es ja, wie schon gesagt, nur eine Höflichkeitsfloskel ist), über belanglose Unterhaltungen „Das Wetter heute ist ja wirklich schlecht, nicht wahr?“, bis hin zu tiefgängigen Gesprächen. Tiefgängige Gespräche führe ich persönlich meistens mit Personen, die zu meinem näheren sozialen Umfeld gehören. Das ist natürlich nicht zwangsläufig so, denn auch mit mir fremden Personen finde ich gelegentlich Themenbereiche, die nach hitzigem Austausch verlangen. Stehen sich Menschen allerdings nicht allzu nahe, können derartige Gespräche gerade in Bildungseinrichtungen und in Bars entstehen.
Wenn ich allerdings von den Konversationen mit Tiefgang absehe, kommt es mir so vor, als könnte der Großteil von uns einfach nicht mehr richtig zuhören. Allein schon aus dem Grund, weil wir immer wieder unser Smartphone checken, in der Hoffnung nichts verpasst zu haben, statt unserm Gegenüber die benötigte Aufmerksamkeit zu schenken. Somit ist aus dem Zuhören ein Hören geworden, dass in oberflächlichen Freundschaften den Schein trügt. 

Auch bei mir selbst stelle ich immer öfter fest, wie mir die Geduld fehlt, meinem Gegenüber aufmerksam zuzuhören. Im Einzelfall ist das  natürlich total normal und auch legitim, denn wer kann sich schon immer hundertprozentig konzentrieren? Wer ist immer geduldig? Wer hat den Kopf dazu, seinem/seiner Gesprächspartner*in immer die komplette Hingabe zu schenken? Ich jedenfalls nicht.
Jedoch beobachte ich dieses unaufmerksame Zuhören immer häufiger. Der Einzelfall hat sich zum Normalfall entpuppt. Menschen unterhalten sich nicht mehr miteinander, sondern viel eher gegeneinander. Zwei Parteien, die sich nicht füreinander interessieren, vielmehr nur für sich selbst. Jede will seinen Ballast, seine Fülle von der Seele reden, ein bisschen Mitleid entgegennehmen und Zustimmung erfahren. Für mehr ist weder die Geduld, noch die Zeit da, bzw. der Wille, denn Zeit kann man sich  ja bekanntlich nehmen. 

Doch warum haben wir uns und warum hat sich unsere Kommunikation in so eine Richtung verändert? 

Ich kann mir vorstellen, dass uns all die Postings, die ganze Selbstdarstellung in den sozialen Medien, wie auch die täglichen Sprachnachrichten statt Telefonaten in gewisser Weise so geformt haben. Wir sind es gewohnt, uns so sehr in den Mittelpunkt zu rücken und die Reaktionen unseres Kommunikationspartners nicht mehr sofort zu bekommen. Unsere Konzentration liegt somit schwerer auf unser ganz eigene Perspektive. Ja, unsere Welt dreht sich nicht nur schneller, sondern immer enger um uns selbst. 

Folgend treffen wir in der Realität aufeinander und unterhalten uns in Monologen über das vergangene Wochenende. Ich erzähle dir etwas, du erzählst mir etwas - beide darauf erpicht sich selbst bestmöglich ins Zentrum des Geschehens zu rücke und das vom anderen Geäußerte auf sich und die eigenen Erfahrungen und Probleme zu beziehen.
Gewiss ist es durchaus wichtig, dass jemand zuhört, doch es ist so unwichtig geworden wer. Die Meinung des Zuhörenden ist in den Hintergrund getreten.
Doch ist es nicht gerade aus dem Grund der Reflexion so wichtig unser Gegenüber wahrzunehmen, da wir uns am Ende nur so selbst erkennen können? Ohne ein lebendiges Gegenüber wird uns nicht deutlich, wer wir sind und wer wir gerne sein möchten, weil uns niemand spiegelt.
Dementsprechend halte ich persönlich nicht nur einen positiven Umgang untereinander für wichtig, ja vielmehr auch den positiven Umgang mit uns selbst. Ist dieser gegeben und wir sind im Reinen mit uns, bin ich mir sicher, dass die Inreressensentwicklung gegenüber anderen kein Problem mehr darstellt. Können wir dieses Interesse an unserem Gegenüber wieder hervorbringen, bringen wir schlussfolgernd nicht nur der oder demjenigen mehr Empathie entgegen, sondern rückwirkend auch uns Selbst.
Doch welche Möglichkeiten haben wir, ganz praktisch gesehen, um wieder mehr Teilnahme und Engagement am Gespräch zu zeigen?
Zu allererst solltest du dir deiner eigenen Gefühle bewusst werden, denn emphatisches Handeln setzt eine gewisse Selbstreflexion voraus. Beobachte also deine eigenen Gefühlsregungen und versuche die Auslöser zu erkennen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich die Emotionen bei anderen Menschen ähnlich äußern wie bei dir. So kannst du jedenfalls schonmal erahnen, wie sich dein Gegenüber fühlt bzw. Fühlen könnte. 

Um ein gelungenes Gespräch zu führen, ist das aktive Zuhören von großer Bedeutung. Hierfür müssen wir erst wieder lernen, dem oder der anderen pure Aufmerksamkeit zu schenken. Es geht nicht darum nebenbei aufs Handy zu schauen oder unserem Gegenüber reinzureden, weil uns eh schon klar ist, was der oder die andere als nächstes sagen will. Auch nicht darum, die ganze Zeit schon darüber nachzudenken, was du selbst als nächstes einbringen möchtest, um deinen Standpunkt unterzubringen. Es steht erstmal wirklich im Fokus sich voll und ganz nur auf das Gesagte des Gegenübers zu konzentrieren, also um das passive Zuhören. Kling leicht, fällt uns allen aber schon so unglaublich schwer, da die Welt sich von Tag zu Tag schneller dreht und unsere Konzentrationsspanne immer kürzer wird.
Da das passive oder auch das reine Zuhören allerdings zu Irritationen führen kann (Hörst du mir einfach nur schweigend zu, haben ich schnell das Gefühl des Gegenteils, also dass du nicht aufmerksam zuhörst), sind Signale der Aufmerksamkeit eine wichtige Technik.
Signale der Aufmerksamkeit sind in etwa Kurzkommentare, wie „mmh“, „aah“, „ja“ oder „echt?“. Somit zeigst du, dass du aufmerksam zuhörst und auch wirklich interessiert bist.
Die Körperhaltung ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Statt halb liegend auf dem Stuhl davonzurutschen oder die Arme vor der Brust zu verschränken, ist es eine wirkliche Unterstützung, wenn du eine offene und zugewandte Körperhaltung einnimmst. Sitze aufrecht, halte einen wachen Blickkontakt und schon fühlt sich dein/e Gesprächspartner*in wohl und erhört.

Hat dein Gegenüber alles zu einem Punkt gesagt, was er sagen wollte, greif das Gesagte nochmals auf und fasse es zusammen. So signalisierst du wirklich alles aufgenommen, verinnerlicht und verstanden zu haben. Gib dem Ganzen keine Wertung, fasse es lediglich zusammen. Ebenfalls kannst du so kontrollieren, ob du deine/n Gesprächspartner/in richtig verstanden hast und Missverständnisse werden vermieden.
Falls die Konversation nicht richtig in Gang kommt, du aber merkst, dass dein Gegenüber etwas mitzuteilen hat, vielleicht aber nicht den Mut hat aus sich herauszukommen, wie es oft bei introvertierten Menschen der Fall ist, sind sogenannte Türöffner hilfreich.
Türöffner oder auch Einladungen genannt, sind Fragen wie: „Möchtest du mir davon nicht erzählen?“ Oder Anstupser wie: „Mich würde interessieren wie du darüber denkst“. So lädst du dein Gegenüber höflich dazu ein, mehr von sich zu zeigen.
Und wäre es nicht wunderschön, wenn wir es alle ab und zu schaffen mehr von uns und unserem wahren Sein zu zeigen? Und wie viel schöner es noch wäre, wenn wir daraufhin auch gesehen und erkannt werden? Ich bin davon überzeugt, wir würden uns alle wohler fühlen, wenn wir mehr Zeit, Aufmerksamkeit und Mut in gute Kommunikation stecken würden.